Aus dem Therapeutenalltag

"Kannst du mal schnell über mein Pferd mit drüber schauen, du bist da ja eh bei uns im Stall. Ich denke der hat was am ISG..."


Liebe Pferdebesitzer,


Ich plane mir für jedes Pferd zur Behandlung 2 Stunden Zeit ein. So lange?

Ja, so lange. WEIL:

Ich halte es für unbedingt notwendig, vor jeder Behandlung eine Anamnese (Erfragen von Alter,Geschlecht, Vorerkrankungen, Hufpflege,Fütterung, Haltung, Trainingszustand usw.) zu machen, bei neuen Patienten ist die richtig ausführlich und das Erfragen, Nachfragen und Dokumentieren braucht Zeit.

Danach folgt ein Sichtbefund im Stand, eine Ganganalyse in Bewegung, die Palpation-um die Muskulatur und das Gewebe zu überprüfen. Das alles gehört für mich zu einer ordentlichen Behandlung.

Es folgt die Funktionstestung und eigentliche manuelle Behandlung.

Oft stellt sich dann im Laufe der Behandlung heraus, dass ein vermeintliches Problem der Hinterhand von einem Problem viel weiter vorne, evtl. der Kopfgelenke kommt. Man spricht hier von Funktionsketten. Das Pferd lässt sich eben nicht "in Scheiben teilen". Der überwiegende Teil aller Läsionen sind muskulär bedingt. Also nichts mit mal schnell "Knickiknacki".

Nicht vergessen werden darf die Überprüfung von Sattel und Trense, da diese Dinge ganz oft Probleme machen.

Ihr könnt euch vorstellen, dass das alles-wenn man es verantwortungsvoll macht-Zeit braucht und man nicht mal eben schnell das vermeintliche "ISG" (für mich eine Modediagnose) behandeln kann.

Es ist mir bewusst, dass es so genannte "Kollegen" gibt, die in den Stall kommen  und von weiten schon sagen: "Der hat das Becken schief". Da wird dann mit langen Hebeln mal kurz und heftig irgendwo am Bein gezerrt, weil das macht ja Eindruck. Und der Besitzer wird gefragt: "Hast du's gehört, jetzt hat's ordentlich gekracht". Leute, wenn da ordentlich was kracht, ist da nicht minder ordentlich was kaputt gegangen...


Was ich sagen will: 

Schaut euch bitte genau an, wo die Leute, die ihr an euer Pferd lasst, ihre Ausbildung gemacht haben. Das Berufsbild Pferde-therapeut/-Osteo, -Physio usw. ist nicht anerkannt/geschützt, was bedeutet, dass sich jeder einfach so nennen kann. Die einen lesen ein Buch und meinen Pferde behandeln zu können, die anderen betreiben das ganze -so wie es sich gehört- verantwortungsbewusst- und machen fundierte Ausbildungen mit anschließender Prüfung sowohl in Theorie als auch Praxis bei etablierten Ausbildungsinstituten.

Fragt während der Behandlung nach, wenn euch Dinge unklar sind oder ihr etwas nicht versteht. Bitte beachtet, dass Euer Pferd keine heftigen Abwehrreaktionen zeigen sollte, weil irgendwo fieß ins Gewebe gedrückt wird (sie spüren eine Fliege auf dem Rücken!). 

Ein gut ausgebildeter Therapeut findet Läsionen auch ohne "show" und behandelt diese manuell so, dass es für das Pferd dennoch nicht unangenehm ist.